Lam, Bayerischer Wald. Alle zwei Jahre trifft sich hier die Trailrunning-Community zum U.TLW – dem Ultra Trail Lamer Winkel. Was als familiäres Event begann, ist längst zu einem der anspruchsvollsten und emotionalsten Läufe im deutschsprachigen Raum geworden. Zwei Strecken, unzählige Höhenmeter und ein Ziel: Ankommen.
Das „Klassentreffen der Trailrunner-Szene“ ist ein sehr fordernder, wunderbarer Lauf: Die große Runde misst 54 Kilometer mit rund 2.700 Höhenmetern – ein echtes Brett. Die kürzere Strecke, auf der ich unterwegs war, bringt es auf 25 Kilometer und etwa 1.000 Höhenmeter. Doch wer glaubt, das sei die „leichte“ Variante, irrt gewaltig. Technisch anspruchsvolle Trails, steile Anstiege, felsige Passagen – hier wird Trailrunning zur semi-alpinen Erfahrung. Wir laufen nur wenig Waldautobahnen, sondern meist Singletrails und „technische Abschnitte“ (= Insiderbegriff für „unglaubliche Felsenkletterei“).
Es ist ein Prüfstein für Körper und Geist. Und für viele – mich eingeschlossen – ein Herzensprojekt. Für mich war es bereits die fünfte Teilnahme – und ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert von der Natur, den Menschen, der Atmosphäre.

Jeder läuft sein eigenes Rennen
Die richtig guten Jungs und Mädels haben versucht, die große Strecke in unter 5 Stunden zu laufen. Ich versuche, die kurze Strecke zu bewältigen und überhaupt ins Ziel zu kommen, auch etwa in 5 Stunden.
Der Ort, die Stimmung, die Freunde – alles war perfekt und konnte besser nicht sein. 25 km durchs Gebirge waren für mich schon in der Vergangenheit als gesunder Mensch eine grenzwertige Herausforderung gewesen. Dieses Mal war es anders, grenzwertiger, und ich wusste beim Start nicht, ob ich das Ziel erreichen würde. Aber es war für mein Herz von großer Bedeutung, hier zu sein und es zu versuchen. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Und nein, es war nicht sicher. Wirklich nicht!

Sommerhitze
Mein Lauf begann mittags um 12 Uhr bei strahlendem Sonnenschein und gepflegten 27 Grad, und es kühlte sich auch in den Höhenlagen nicht ab. Die Hitze kam als zusätzliche Erschwernis hinzu und sie hat mir den Zahn gezogen. Etwa bei Kilometer 10 hätte ich das Rennen aufgeben können; die Sonne hatte alle Kraftkörner gefressen. Ich laufe schon eine ganze Weile und kann mich gut einschätzen. An diesem Punkt war ich mir sicher, den Lauf zu einem Ende zu bringen.
Also weiter – über unzählige Felsen den Großen Osser hinauf, mühsam, Schritt für Schritt, unendlich langsam. So viele andere haben mich überholt; aber Ende war er da, der Gipfel! Ich hatte es geschafft. Jetzt ging es nur noch bergab. Nur noch …
An der letzten Verpflegungsstation gab es eine letzte Stärkung. Pause, sich sammeln und weiter geht’s! Wie jedes Mal hatte ich vergessen, dass es nicht gleich bergab ging, sondern es ja auch noch den Kleinen Osser gab. Gut, dass das Läufergehirn so vieles vergisst! Also: unzählige Felsen bergauf und unzählige Felsen bergab ging es weiter, immer weiter, kein Innehalten, nur Konzentration auf den Weg. Bloß kein falscher Tritt, bloß kein Sturz. 😊

„Ode an die Freude“
Mein Herz ging auf. Der Bayerische Wald, die Natur, die Ausblicke sind unbeschreiblich schön. Alles ist vergessen, ich bin im Hier und Jetzt, in meinem eigenen Rennen und ich werde es zu einem guten Ende bringen.


Das Herzstück des Laufes sind die beiden Abschnitte „Tromsö“ und „Holy Trail“: Technisch anspruchsvolles Trailrunning – steil, schmal, wild – bergab über Felsenwege mit müden Beinen. Trittfestigkeit und Schwindelfreiheit waren gefragt. Die Laufstöcke, bergauf noch Kraftspender, wurden jetzt zur Lebensversicherung. Dieser Teil des Rennens war mein persönlicher Höhepunkt. Die Kraft vergangen, das Ziel nicht mehr fern und der Weg einfach geil. Das war Trailrunning pur, so musste es sein, so und nicht anders. Das war Natur, Emotion – darum war ich hier.

Zufrieden und total im A … im Ziel
Endlich der Zieleinlauf auf dem Marktplatz in Lam. Jubelnde Zuschauer, Gratulation der Freunde, Erleichterung, Medaille, Max, ein kühles Radler, hinsetzen, innehalten, geschafft.
Und ich möchte euch nicht die legendäre After-Run-Party vorenthalten, die auf dem Marktplatz mit Heavy Metal Musik beginnt und dann von den Läufern und Läuferinnen bis in die Morgenstunden im Schützenheim mit Disco und jeder Menge Bier fortgesetzt wird. Die Bayern können feiern!


Mein Fazit?
- Dieser Lauf war und ist persönlich und emotional.
- Trailrunning vom Feinsten mit wunderbaren Singletrails im Wald, Höhenmetern ohne Ende, extrem technischen Passagen (Felsenkletterei), geilen Ausblicken und Konzentration bis zum Schluss.
- Ein extrem anspruchsvoller Lauf mit allen körperlichen und seelischen Höhen und Tiefen.
- Ein familiäres Event: Mit Herzblut organisiert, von Menschen, die Trailrunning lieben. Danke an Max und das Team – ihr seid großartig!
- Ich habe den Lauf geschafft, trotz aller Widerstände. Jubel stellt sich nicht ein, wohl aber Erleichterung und Zufriedenheit. Ein emotionaler Kraftakt. Gut, dass ich hier war!
- Komme ich wieder? Fünfmal war ich dabei. Fünfmal war es besonders. Aber in der Sommerhitze laufe ich sicher nicht noch einmal. Damit war es wohl mein letzter U.TLW. 😢
Laufen macht glücklich. Trailrunning sowieso. U.TLW macht stolz.