- Gastbeitrag von Friederike Saueressig
Es ist zwar verflucht früh, aber bei Hans gab es noch einen Kaffee, der boostet. Das Auto wird abgestellt und gleich geht es direkt bergan. Ein kleiner sandiger Single-Trail, Senne halt … Wie lange hatte ich das nicht mehr? Kleine weiße Steine auf dem schwarzen Untergrund – schön aufpassen und nicht darauf treten – Umknickgefahr! Das möchte ich so kurz vor dem Urlaub nicht.
Baumwurzeln säumen die Strecke, jeder Schritt muss kalkuliert werden. Hans hat keine Gnade, immer steiler wird die Strecke schon innerhalb des ersten Kilometers. Kleine Schritte machen, immer schön die Fußspitzen in das lockere Geröll graben, um Grip zu bekommen. Ich liebe meine Speed-Crösser! Ein Oben scheint es nicht zu geben – ich spüre meinen Atem immer heftiger.
Sonst geht atmen ganz automatisch, ohne drüber nachzudenken, aber jetzt? Ich merke meine Atemmuskulatur, das Zwerchfell arbeitet mit, die Rippenmuskulatur zieht kräftig die Rippen nach außen, die Frequenz steigt. Meine Konzentration geht Richtung Beinmuskulatur, dieses leichte Brennen gepaart mit dem Druckgefühl lässt mich ahnen, wie das Blut gerade durch jede Muskelfaser gepumpt wird.
Immer weiter aufwärts. Das Herz als Motor des Ganzen freut sich gerade mächtig, endlich mal wieder so richtig etwas zu tun! Dieser Muskel war in letzter Zeit sehr vernachlässigt worden. Endlich wieder kraftvoll pumpen!
Der Trail wird flacher, Herz und Atmung langsamer und die Beine freuen sich über die leichtere Arbeit. Über Baumwurzeln, an Steinen vorbei und über die umgestürzten Buchen trailen wir weiter. Jeder Schritt ist anders, jede Auftrittsfläche wird neu bedacht. Wie habe ich genau das vermisst!
Heute Morgen hat es geregnet; der Boden ist feucht, die Steine glitschig. Der Regen muss von links gekommen sein, denn im Windschatten der Baumstämme ist der Waldboden trocken geblieben. Die Luft ist frisch, fast als kühl zu bezeichnen – ein ungewohntes Gefühl nach wochenlanger Trockenheit und Hitze.
Das Springkraut, auch „Rühr-mich-nicht-an“, ist normalerweise 40-50 cm hoch. Hier oben und in diesem Jahr sind es nur 30 cm. Wo es in anderen Sommern den Waldboden wie einen dicken grünen Teppich auskleidet, stehen heute nur dünne Pinne mit schlaffen Blättern. Der morgendliche Regen vorhin hat die Blätter benässt und die Feuchtigkeit bleibt jetzt an unseren Beinen hängen. Sie lässt die Socken nass werden und bald sind auch die Schuhe durchfeuchtet. Nasse Füße beim Laufen – auch dieses Gefühl ist schon lange her.
Der Trail geht mal auf, mal ab, immer weiter oben auf dem Bergkamm entlang. Mal mehr Steine, mal mehr Gestrüpp und natürlich immer wieder Brennnesseln. Diese sind zwar auch nur dünn gewachsen, haben aber nichts an ihrer Wehrhaftigkeit eingebüßt!
Bei jeder Rampe pumpt das Herz, was es kann, die Atemmuskulatur tut ihr Bestes und die Beine brennen. So ein geiles Gefühl – ich bin glücklich. Glücklich wieder die Kraft zu haben, glücklich wieder mitlaufen zu können, glücklich die Donnerstagsläufer zu haben!