Jens und ich hatten uns für einen Abendlauf verabredet. Eigentlich war eine gemütliche Runde geplant, auf Asphalt, vielleicht ums Freilichtmuseum, nichts Aufregendes.
Nun hatte es aber den ganzen Tag geschneit, sogar so viel geschneit, dass teilweise der Verkehr zusammengebrochen war. Zwei Verrückte – ein Gedanke: Wir nutzen den Schnee und laufen zum Hermann!
Kurz rumgefragt, keiner wollte mit, also zu zweit. 19 Uhr, es war dunkel, nebelig, ungemütlich. Los gings, durch den Schnee, die Stirnlampen warfen unheimliche Schatten. Bald sahen wir keine Spuren mehr im Schnee, wir waren offensichtlich die Ersten, die hier unterwegs waren. Das ist stets ein aufregendes Gefühl.
Der Weg führte uns bergauf, Laufen im Neuschnee ist superanstrengend und ich bin derzeit ohnehin nicht in der Form für Steigungen. Jens ist fitter als ich und freundlich, und so walkten wir bergauf, schossen ein paar Fotos und dann taten wir das Unerwartete: Fragt bitte nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund schalteten wir unsere Stirnlampen aus. Und zack – mit einem Mal veränderte sich alles!
Unsere Welt wurde schwarz-weiß, düster vom Nebel, überall Schemen, dunkle Bäume wie Schattengeister und weißer Schnee. Es war unheimlich, still, und wir gingen bergan. Unsere Augen gewöhnten sich schnell an die andere Sicht, wir erkannten mehr und mehr. So war es früher für die Menschen, ohne elektrisches Licht. Ob es hier Wölfe gibt? Oder Orks? Wir waren in einer anderen Welt. Dunkelheit kann man schlecht fotografieren, darum kann ich euch keine Fotos zeigen. Dazu Stille, durch den Nebel und Schnee, nur unterbrochen vom Knirschen unter unseren Schuhen.
Kleiner Läufertipp: Vergesst die Gamaschen nicht, die bei euch zu Hause liegen. Sonst dringt der ganze Schnee noch schneller in die Schuhe. OMG!
Schließlich hatten wir unser erstes Ziel erreicht, den Dreiflussstein, kaum erkennbar zur Linken. Nun hätten wir die Stirnlampen anschalten und weiterlaufen können, aber wir entschieden uns, weiter in der Dunkelheit zu bleiben und aus Sicherheitsgründen aufs Laufen zu verzichten. So walkten wir also noch eine ganze Weile die Kastanienallee entlang, bis wir schließlich doch das Licht anschalteten und zum Hermannsdenkmal liefen. Unterwegs erwischten uns ein paar üble Windböen, die uns den Schnee schmerzhaft ins Gesicht trieben.
Dort wurde es endgültig spooky. Das Denkmal war von blauen Scheinwerfern angestrahlt, deren Licht durch den Nebel tausendfach gebrochen wurde und die ganze Szene in ein dumpfes Licht hüllte. Der Hermann war im blauen Nebel kaum erkennbar und sein Schwert verschwand im Nichts. Ein kurzes Gespräch mit einem Hundespaziergänger, eine Runde um das Denkmal, viele Fotos und noch ein paar andere Spaziergänger gegrüßt, und dann machten wir uns auf den Heimweg.
Der Nebel hatte sich verzogen und unterwegs bot sich ein klarer Ausblick über ganz Detmold. Wie lange standen wir hier, auf die hellen Lichter der Stadt und auf die Straßen starrend? Welch ein Glitzern und Funkeln – im Gegensatz zu der Düsternis und der Einsamkeit auf dem Hinweg!
Die Stirnlampen waren schon lange ausgeschaltet und wir waren unvernünftig, ja, aber wir konnten nicht anders. Wir liefen den ganzen Weg zurück ohne unsere Lampen, durch den Schnee, nur geführt durch das düstere Umgebungslicht. Es war einfach zu schön. Trailläufer … 😀! Bitte, liebe Leserschaft, macht das nicht. Oder nur, wenn ihr euch wirklich sicher seid.
Wieder am Auto und ein kurzes Resümee: 10 km, zwei Stunden, geiler Pace, so muss das sein! Welch ein Lauf, welch ein Naturerlebnis! Auf unserer ewigen Hitliste war dieser Lauf auf jeden Fall unter den TOP 3. Wie schön ist es draußen, in der Natur, im Schnee! Verlasst eure Komfortzone, geht raus, wandern, laufen, Rad fahren, bei jedem Wetter.
Laufen macht glücklich.
Fotos: Jens Linke und Autor