Synagogenlauf – Auf jüdischen Spuren

Nach den Morden und dem Angriff auf die Synagoge in Halle wollten wir nicht einfach fortfahren, als ob uns das nichts angehen würde. Darum haben wir ein kleines Zeichen gesetzt und Berenice hat den geplanten Frauenlauf abgesagt!

Stattdessen haben wir ein ganz neues Format ausprobiert: Geschichte laufend erleben! Wir haben uns bei einem Stadtrundgang mit der Geschichte der Juden in Detmold beschäftigt. Unsere Laufstrecke war mit 6 km nicht allzu lang und wir haben an den jeweiligen Stationen unseren Lauf unterbrochen.

Synagogenlauf mit Stadtführung

Jüdinnen und Juden haben über Jahrhunderte hinweg Leben und Wandel der Stadt Detmold begleitet und geprägt. Ein großer Teil des jüdischen Kulturerbes wurde zerstört und nur wenige steinerne Zeugnisse blieben erhalten. Während unseres Laufes besuchten wir Stätten der religiösen Kultur, jüdische Wohn- und Geschäftshäuser, Spuren der Entrechtung und Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung ebenso wie einige Detmolder NS-Institutionen.

Am vereinbarten Treffpunkt am Landestheater in Detmold versammelten sich ungefähr 15 Läuferinnen und Läufer versammelt. Direkt neben dem Theater war 1907 das prächtige Gebäude der neuen Synagoge erbaut und unter Teilnahme des Fürsten und wichtiger Honoratioren eingeweiht worden. Die Juden waren in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Die Synagoge von 1907 in all ihrer Pracht
Die Synagoge von 1907 in all ihrer Pracht (Foto privat)

Ich hatte in der Einladung ausdrücklich darauf hingewiesen, bitte warme Kleidung mitzubringen, damit wir an den Stationen nicht auskühlen würden. Und wer hatte sich von der Sonne blenden lassen und zu wenig angezogen …?

Die Stimmung war gut, der Guide fror und wir liefen zum jüdischen Friedhof, der heute mitten in einem Wohngebiet ist, früher aber weit außerhalb der Stadt auf einem Feld lag. Wir hatten von der jüdischen Gemeinde den Schlüssel bekommen und erkundeten diesen geheimnisvollen Ort. Jüdische Friedhöfe wirken anders als christliche: Manche Steine erscheinen sehr fremd mit ihren hebräischen Schriftzeichen, andere wiederum wirken mit ihrer lateinischen Schrift sehr vertraut. Es ist ein alter Friedhof, mit Efeu bewachsen, große Bäume spenden Schatten. Es ist ein friedlicher Ort inmitten der Stadt. Keine/r der Teilnehmer/-innen war jemals hier gewesen und wir spürten die besondere Stimmung dieses Ortes.

Der jüdische Friedhof in Detmold
Der jüdische Friedhof in Detmold

Um nun wenigstens ein paar Laufkilometer auf die Uhr zu bekommen, absolvierten wir einen kleinen Citytrail auf unbekannten Wegen durch Detmold und liefen in einem Bogen wieder ins Stadtzentrum. Es war dunkel geworden und wir liefen durch die Lichter der Nacht zur alten Synagoge mit ihrer Gedenkstätte und dem Vorsängerhaus. Hier ist mitten im Zentrum eine kleine grüne Oase mit Bänken entstanden. Weiter ging es zum Münsterberghaus, das früher einer wohlhabenden jüdischen Familie gehörte und heute u. a. von der christlich-jüdischen Gesellschaft genutzt wird.

Synagogenlauf mit Stadtführung

Nachdem wir die Stätten jüdischer Kultur besucht hatten, ging es nun zu den Stationen der Unterdrückung und Vernichtung in der Nazizeit. Wir besuchten zwei der sogenannten “Judenhäuser”, in denen die Juden zusammengepfercht wurden, um sie besser kontrollieren und später dann deportieren zu können. Wir standen vor ehemaligen jüdischen Geschäften und sahen auf den historischen Fotos die Naziwachposten, die sichtlich die Macht genossen, die Ihnen die Uniform verlieh. Wir sahen die Verwüstungen in den Geschäften und hörten von den Nachbarn, die sich an den Gräueltaten beteiligt hatten.

Gedenktafel an der alten Synagoge in Detmold
Das jüdische Kaufhaus Alsberg wird von Nazis blockiert. Man sieht, wie die Wachposten ihre Macht genießen.
Das jüdische Kaufhaus Alsberg wird von Nazis blockiert. Man sieht förmlich, wie die Wachposten ihre Macht genießen. (Foto: LAV NRW OWL D 75 Nr. 2847)

Das Ziel unseres Laufes war wiederum das Theater, wo wir einen letzten Blick auf den ehemaligen Standort der Synagoge warfen und ein Foto mit deren Trümmern sahen. Waren die Juden 1907 in der Mitte der Gesellschaft angekommen, so waren sie nun – 30 Jahre später – ausgestoßen und zur Vernichtung verdammt.

Es sollte aber nicht alles traurig und ernst bleiben und Laufen soll ja bekanntlich glücklich machen, darum sei erwähnt, dass wir bei unserem Lauf viel Spaß hatten und anschließend ins “Extrablatt” gingen, um unseren Lauf mit einem gemeinsamen Abend ausklingen zu lassen.

Die Synagoge nach dem Pogrom - nur noch eine Ruine
Die Synagoge nach dem Pogrom – nur noch eine Ruine (Foto: LAV NRW OWL)

Danke an Iris und Berenice für die Fotos! Das Titelfoto des Beitrages ist vom LAV NRW OWL D 75 Nr. 6571.
Falls jemand an dieser Führung Interesse hat, denn kann er/sie sich gern melden.

Der Track

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