Seid Ihr schon mal marschiert? Kein Spazierengehen oder lockeres Walking – sondern strammes Marschieren! Ich jedenfalls nicht und ich wollte es gern einmal ausprobieren. Unsere Freundin Annette ist passionierte Marschiererin und hat uns den Marsch geblasen. Was stand auf dem Programm?
Es ging die Strecke des Hermannslaufs entlang (Hermannsdenkmal – Sparrenburg) – hin und zurück – 62 km – durch die Nacht! Das Projekt war perfekt organisiert mit Autos und vielen VPs auf der Strecke und einem fliegenden Supportservice.
Start
Wir trafen uns zu sechst bei strahlendem Wetter unterhalb des Hermannsdenkmals und marschierten hinauf zum Denkmal. Aufgrund meines Trainingsstandes war mir klar, dass ich nicht die ganze Strecke marschieren würde. Als Minimalziel hatte ich mir das Erreichen der Sparrenburg gesetzt. Es war also ein spannender Start hinauf zum Hermann! Dort absolvierten wir die erste obligatorische Fotosession, um dann auf der uns so vertrauten Strecke zügig in Richtung Bielefeld zu marschieren.
Marschieren bedeutet zügiges Wandern mit Stöcken etwa in einem 10er Pace (6 km/h). Das klingt zunächst recht unspektakulär, entfaltet aber über die lange Dauer seine Wirkung. Bei Kilometer 19, also nach drei Stunden reiner Marschierzeit, hatten wir die erste Etappe in Oerlinghausen erreicht und waren durchaus erschöpft. Unterwegs hatte unsere Lauffreundin bereits an zwei VPs mit allem, was das Marschierer/-innenherz begehrt, für uns gesorgt.
Marschieren in der Nacht
Warum sind wir nachts gelaufen? Bei unserem Eintreffen in Oerlinghausen war es bereits stockdunkel. Das Marschieren in die Nacht hinein hat seinen besonderen Reiz. Der Körper stellt während der Nacht seine Sinne um: Das Hören wird intensiver, das Sehen ist auf Schwarz-Weiß umgeschaltet und gewöhnt sich langsam an die Nacht, man erkennt und erfühlt trotz der Dunkelheit die Details und Unebenheiten des Weges. Wir standen oben auf dem Tönsberg und während wir auf die Lichter Oerlinghausens blickten, umflatterten uns zahlreiche Fledermäuse auf ihrer Suche nach Beute.
Bielefeld
Trotz langsam schwer werdender Beine brachen wir zur nächsten Etappe zur Sparrenburg in Bielefeld auf. Wie anders wirkt der Weg ohne Publikum, ohne Ablenkung und ohne Licht! Ich war nun schon oft genug auf der Promenade zur Burg gelaufen, aber die Häuser rechts und links des Weges und die grandiose Aussicht auf das Lichtermeer der Stadt hatte ich noch nie wahrgenommen. Wie mächtig ragt das hell erleuchtete Krankenhaus Mitte aus seiner Umgebung hervor und wie schön ist die Sparrenburg!
Etwa um 1 Uhr erreichten wir die Sparrenburg, erschöpft und müde, mit schmerzenden Füßen nach 31 km. Wir waren nun mit Pausen seit fast 7 Stunden auf den Beinen und gönnten uns eine lange Pause, umsorgt von unserem Supportteam. Ihr glaubt nicht, was um diese Uhrzeit an der Sparrenburg und der Promenade noch los ist: Hochzeitsfeiern, Liebespaare, Spaziergänger …
Marschieren bis zum Ziel
Ich entschloss mich, den Rückweg bis Oerlinghausen zu wagen und dort auszusteigen. Das bedeutete noch 13 weitere Kilometer und etwa 2,5 weitere Stunden. Auf dem Rückweg wurde es dann einsam. So tief in der Nacht war niemand mehr unterwegs, die Gespräche verstummten, jeder besann und konzentrierte sich auf sich selbst. Die wippenden Stirnlampen waren weithin sichtbar und wir blieben zusammen. Ich fühlte meine Kräfte schwinden, wurde immer langsamer und die anderen mussten immer häufiger auf mich warten – danke an dieser Stelle für Eure Geduld!
Unterwegs trafen wir einen Rehbock im Maisfeld, der uns geblendet durch unsere Lampen anstarrte. Annette klärte uns fachmännisch darüber auf, dass er aufgrund seiner bei Jägern unbeliebten krummen Hörner wohl bald auf einem gut gedeckten Tisch landen würde.
Kurz nach vier Uhr Uhr erreichten wir Oerlinghausen. Ich war am Ziel und am Ende meiner Kräfte nach fast 10 Stunden auf den Beinen, davon 8,5 Stunden aktiv, und 44 km mit 1.000 Höhenmetern. Meine Beine wollten nicht mehr, meine Füße schmerzten und ich erahnte die eine oder andere Blase. Die drei verbliebenen Marschierer setzten ihren Weg noch bis zum Ziel fort. (Glückwunsch und Hochachtung!)
Fazit
Der Nachtmarsch war neu und anders und schön.
Wir sind Tagwesen und die Nacht ist uns unbekannt. Wahrnehmung, Zeitempfinden und Gefühle sind anders als am Tag. Sport in der Nacht, die Dunkelheit, die Müdigkeit – all dies habe ich zum ersten Mal in dieser Intensität erfahren.
Marschieren ist ein anderer Sport als Laufen. Ich konnte eine größere Strecke bewältigen, die Wahrnehmung der Umgebung war durch die niedrigere Geschwindigkeit intensiver, die Belastung war anders, die Zeit war länger, die Anstrengung und die Leistung waren am Ende mindestens gleich.
Der Marsch war eine Grenzerfahrung. Allein würde ich so etwas niemals machen, aber in der Gruppe mit Freunden war es großartig. Wir haben geredet, Spaß gehabt, uns gegenseitig unterstützt und den Marsch gemeinsam bewältigt.
Im Nachhinein beim Schreiben und beim Sichten der Fotos ist mir noch mal klar geworden, wie geil diese Aktion war. Danke Euch!
Das klingt nach einem wirklich ungewöhnlichen Abenteuer ! Da wäre ich gerne dabei gewesen…