U.TLW 2021

„Es wechselt Pein und Lust. Genieße, wenn du kannst, und leide, wenn du musst.“
(Johann Wolfgang von Goethe und einer der Wahlsprüche des U.TLW)

Vor kurzem durfte ich zum dritten Mal am U.TLW teilnehmen. Manche von euch werden ihn kennen, den anderen sei erklärt, dass es sich dabei um einen Traillauf mit anspruchsvoller Streckenführung im Bayerischen Wald handelt. Die Freaks nennen solche Strecken “technisch”, wir nennen sie mal höflich “Felsenkletterei”; wunderschön sind sie allemal und man muss etwas verrückt sein, um hier zu starten. Dieser Wettbewerb ist Kult in der Szene und findet alle zwei Jahre statt. Für uns stand die “kurze” Distanz mit 24 Kilometern und reichlichen Höhenmetern auf dem Programm – die normale Strecke mit 54 km ist aus offensichtlichen Gründen nichts für mich.

Das Trail Team Lippe beim Streckencheck tags zuvor

Das Team

Der Lauf fand nach mehrfachen Verschiebungen nun am 9. Oktober statt. Wir hatten uns vor zwei Jahren mit insgesamt 18 Personen angemeldet; übrig geblieben war ein Rest von drei Läufern. Uns blieben Zweifel bis zum Schluss, aber die Organisatoren hatten alles richtig gemacht und so machten sich also Jens, Klaus, Trixi als Supporterin und ich auf den Weg in den bayerischen Lamer Winkel.

Der Lamer Winkel mit seinen drei Orten Arrach, Lam und Lohberg ist eine wunderschöne Region zwischen dem Großen Arber und dem Großen Osser nahe der tschechischen Grenze. Ich hatte Max, einen der Organisatoren, schon einmal als Interviewgast hier im Blog.

Ein Wiedersehen mit Max Hochholzer
Die Startnummernausgabe

Startnummernausgabe

Wir waren am Vortag angereist, hatten ein zünftiges bayerisches Abendessen im “Hotel zur Post” zu uns genommen und trafen uns am Freitag bei der Startnummernausgabe. All das, was den Lauf ausmacht, war abgesagt worden, und auf den sportlichen Kern reduziert worden. Es gab kein tolles Event bei der Startnummernausgabe am See, kein Zieleinlauf auf dem Marktplatz, kein Publikum bei Start und Ziel, keine After-run-Party usw. Traurig, aber unvermeidbar. 

Nun wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird, und wir verbrachten einen wunderbaren Nachmittag auf dem Sportplatz in Lam, sahen den Organisatoren bei den letzten Aufbauarbeiten zu, redeten hier und dort und genossen die Stimmung. Die Sonne schien, alle hatten gute Laune und freuten sich sichtlich, hier sein zu dürfen. Endlich durften wir wieder ein Stück Normalität erleben und die besondere Stimmung dieses Wettbewerbs in uns aufsaugen. Normalerweise bin ich vor Rennen nicht aufgeregt, aber so emotional wie an diesem Tag habe ich mich lange nicht mehr bei einem Lauf erlebt. 

Der Lauf “Osser Riese”

Samstagfrüh wurde es ernst, das Thermometer zeigte zwei (!) Grad und der Wetterbericht versprach einen sonnigen Tag. Mit etwa 250 Läufer/-innen standen wir aufgeregt hinter der Blaskapelle, die bald loslegte und uns durch den Start führte. Gänsehaut pur! Wir waren in Lam und freuten uns auf den Lauf! Jetzt ging es wieder los. Endlich!

Und es ging gleich bergauf. Bergauf und bergauf bis zur Wallfahrtskirche “Maria Hilf”. In diesem Jahr war die Strecke gegenüber den Vorjahren erheblich geändert und eine sehr sehenswerte Hochebene herausgenommen worden. Zum Ausgleich bot sich die Gelegenheit, noch mehr dieser malerischen Gegend kennenlernen zu dürfen. (@ Max: Die Schleife, die ihr eingebaut habt, war wie versprochen echt fies! 🙂 )

Der forderndste Teil war der Anstieg zum Großen Osser, bei dem es steil und steiler, scheinbar endlos und über immer mehr Felsen hoch hinaus ging, bis wir schließlich den Gipfel und die Osserhütte erreichten. Da wir es nicht eilig hatten, legten wir noch einen kleinen Umweg hoch zum Gipfelkreuz für Sightseeing und ein paar Selfies ein. Der Ausblick von hier oben bei strahlendem Sonnenschein war unbeschreiblich schön. Wie weit konnten wir schauen, welche Berge und Dörfer gab es hier, wie viele Menschen waren gemeinsam mit uns auf dem Gipfel? Es war so schön, dass wir hier sein durften und gesund und munter waren! 

Am Gipfelkreuz des Großen Ossers
Aussicht vom Großen Osser (Foto: Sportograf)

Der “Holy Trail”

Nun führte uns der Weg stetig bergab zunächst zum langersehnten Verpflegungspunkt, wo uns ein bayerischer, 12-jähriger Biereinschenkprofi mit alkoholfreiem Bier versorgte. Der letzte und schönste Abschnitt des U.TLW ist der “Holy Trail”, den unbestätigten Gerüchten zufolge Max vor einigen Jahren mit der Rosenschere eigens für uns freigeschnitten hatte. Der “Holy Trail” ist der Traum aller Trailläufer. Es handelt sich um einen felsigen Kammweg, der viele Kilometer bergab führt, jeder Meter schöner als der vorhergehende, über Felsen und Stock und Stein, Kletterpartien mit Seilen inklusive. Hier muss man einmal in seinem Leben gelaufen sein!


Jens ist begeistert vom Holy Trail

Wir hatten hier schon tags zuvor einen kleinen Testlauf unternommen, um uns darauf einzustellen, und konnten ihn nun in aller Entspanntheit genießen. Aber, und das ist ein großes Aber: Ich halte diesen Teil des Rennens tatsächlich für den anspruchsvollsten. Das Bergablaufen macht Freude und verführt zum schnellen Laufen. Körper und Geist sind von den Anstrengungen geschwächt und Konzentrationsfähigkeit und Koordinationsvermögen leiden, was angesichts des Terrains gefährlich werden kann, sodass man sehr auf sich achten und noch genügend Kraft übrig haben muss. 

Bis zu diesem Punkt waren wir zusammen geblieben und Jens, der schnellste von uns, hatte Klaus und mich dankenswerter immer wieder mit Ehrenrunden abgeholt. Am “Holy Trail” war er ein Stück vorausgelaufen und erwartete uns in der Sonne auf einer Bank sitzend und mit einem Streckenposten quatschend. Hatte ich schon erwähnt, dass wir Genussläufer sind und viel mehr Interesse an Spaß, Natur und Gemeinschaft als an guten Zeiten haben? 

 

Die Osserwiese (Foto: Sportograf)

So ging es nun also weiter bergab bis ins Ziel. Besonders beeindruckt hat mich Johanna Hiemer, Siegerin bei den Frauen über 54 km und damit “Königin vom Bayerwald”, die uns mit kraftvollen Schritten auf den letzten Kilometern überholte. Das war richtig großes Kino! Glückwunsch noch einmal von dieser Seite.

Und dann der Zieleinlauf … emotional wie immer. Jede/r Läufer/-in wird einzeln mit Namen aufgerufen und bejubelt. Ich weiß bis heute nicht, in welcher Zeit wir gefinished haben, ich weiß aber, dass es ein traumhafter Lauf war und wir 2023 wieder dabei sein werden. 

Im Ziel – Laufen macht glücklich

Was bleibt?

Aufgrund der Terminverschiebungen fanden Hermannslauf und U.TLW an demselben Wochenende statt. Ich bin begeisterter Hermannsläufer, aber die Entscheidung für den U.TLW war absolut richtig. Und dann im nächsten Jahr wieder den Hermann!

Sportlich war es eine große Herausforderung, aber anderes als in den Vorjahren musste ich nicht über meine Grenzen hinausgehen, sondern konnte den Lauf ordentlich zu Ende bringen mit einigen Reservekörnern am Schluss. An meinem Training kann es nicht gelegen haben. Vielleicht waren es die Wursteplatten und das helle bayerische Bier in Lam … 

Typisch bayerisches Abendessen nach dem Lauf

Mit Jens habe ich viel diskutiert, ob wir 2023 die lange Strecke laufen wollen. Besonders der erste Teil hinauf zum Großen Arber interessiert mich und meine Stimmung während des Laufes sprach dafür, aber wenn ich ehrlich zu mir selber bin und auf mein Alter schaue, dann werde ich wohl bei meinen Leisten und den 24 km bleiben.

Danke an die Organisatoren, danke an die über 200 (!) Helfer/-innen, danke an die vielen Läufer/-innen, die von nah und fern zu diesem wunderbaren Lauf zusammengekommen sind, um ihn zu dem zu machen, was er ist: Ein Traillauf “von und für Trailrunner”.

Wir sehen uns 2023!

Der Track

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1 Comment

  • Danke für den begeisterten Bericht, der gute Laune macht und ansteckt; ich würde am liebsten gleich loslaufen:-)

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