Elias Sansar ist ein erfolgreicher Läufer und Marathonlaufsieger und der vielfache Gewinner des Hermannslaufes. Ich kenne ihn schon etwas länger und wir sind bereits einige Male zusammen gelaufen (wobei er sich glücklicherweise meinem Tempo angepasst hat). Wir saßen bei herrlichem Frühlingswetter auf dem Sportplatz in Hiddesen und haben uns lange unterhalten. Die Sonne schien, im Hintergrund quaken die Frösche und wir haben einen netten Vormittag zusammen verbracht.
Persönliches
Danke, Elias, dass Du für ein Interview zur Verfügung stehst. Zunächst möchte ich Dich um einige persönliche Informationen bitten.
Ich bin 38 Jahre alt und lebe in Detmold-Hiddesen. Ich komme ursprünglich aus einem kleinen Ort in der Ost-Türkei nahe der syrischen Grenze. Ich bin gebürtiger Kurde und lebe seit 30 Jahren in Deutschland. Ich kam als Kind mit meiner ganzen Familie nach Deutschland und alle leben noch hier.
Deinen Bruder habe ich mal kennengelernt.
Er boxt, hat aber auch viel Freude am Laufen und nimmt an Volksläufen teil. Er ist auch schon den Hermannslauf gelaufen.
Hast Du noch Verbindungen zu Deiner alten Heimat?
Nein, habe ich gar nicht mehr. Ich habe dort auch keine Verwandtschaft mehr. Ich habe keine türkische Staatsbürgerschaft, sondern ausschließlich die deutsche.
Verfolgst Du die Situation in der Türkei?
Selbstverständlich! Es ist eine schlimme Situation, die man aber nicht in kurzen Sätzen zusammenzufassen kann.
Schaust Du mit besonderem Interesse auf die Situation in dieser Region?
Ja natürlich! Es ist mir wichtig. Ich interessiere mich generell sehr für das, was in der Welt passiert, aber ganz besonders für den Nahen Osten. Ich sehe das mit ganz anderen Augen.
Laufen
Nun kommen wir zum Thema Laufen. Seit wann läufst Du?
Ursprünglich habe ich Fußball gespielt; um 1998 bin ich intensiver mit dem Laufsport in Berührung gekommen. In dieser Zeit bin ich manchmal gejoggt, hoch zum Hermannsdenkmal und wieder zurück. 1999 habe ich dann wirklich mit dem Laufsport begonnen.
Wann hast Du gemerkt, dass Du ein sehr guter Läufer bist, und wann bist Du in den Leistungsbereich gegangen?
Als ich noch Fußball spielte, bin ich mehr zufällig die Lippischen Meisterschaften auf der 800-Meter-Strecke gelaufen. Ich habe 2.05 Minuten gebraucht und bin gleich auf Anhieb lippischer Jugendmeister geworden. Ich habe bald gemerkt, dass ich von Mal zu Mal schneller werde und Talent zum Laufen habe.
Wann bist Du Deinen ersten Hermannslauf gelaufen?
Das war 2006.
Das war auch mein erster Hermann!
2004/2005 bin ich noch Mittelstrecke gelaufen und habe zu der Zeit noch auf den Hermann verzichtet. Ab 2006 bin ich dann zur Langstrecke (Halbmarathon/Marathon) gewechselt und da passte der Hermannslauf gut hinein. Eigentlich hatte ich ihn für 2007 das erste Mal vorgesehen, bin dann aber doch 2006 gelaufen. Die Strecke hat Spaß gemacht und ich habe sogar gewonnen!
Glückwunsch!
Meine Zeit damals war 1.45.50 h. Es war eine große Umstellung von der Bahn auf einen Landschaftslauf mit Waldwegen. Das hat mir auf Anhieb mehr Spaß gemacht als das Rundendrehen auf der Bahn. Seither machen mir Landschaftsläufe mehr Freude und deswegen bin ich auch dabei geblieben. Ich nehme in jedem Jahr am Hermannslauf und anderen Langstrecken teil. Der Hermann ist ein schöner Landschaftslauf, direkt vor der Haustür, und es ist schon fast ein Muss, daran teilzunehmen
Wie oft hast Du den Hermann gewonnen?
11 Mal.
Elias, Du bist soo gut!
Danke!
Glückwunsch noch einmal!
Hermannslauf und Marathonläufe
Was ist für Dich das Besondere am Hermannslauf?
Marathonläufe sind eine ganz andere Geschichte. Ein Marathon ist viel länger, auf jeden Fall viel anstrengender, und für mich auf jeden Fall ein noch größeres Abenteuer als der Hermannslauf. Mit einem Marathon ist viel mehr Dramatik verbunden. Ich persönlich finde einen Marathon beeindruckender als den Hermannslauf. Beim Marathon gibt es den “Mann mit dem Hammer”, den schon fast jeder erlebt hat. Es ist eine sehr lange Strecke und es passiert immer so viel. Es kann sein, dass Du von einem Moment zum anderen keine Kraft mehr hast, und es kann sein, dass es sehr gut funktioniert, ohne dass Du weißt, warum.
Viele fragen, ob ein Marathon oder der Hermannslauf schwerer ist. Da überlege ich nicht lange – ein Marathon ist eindeutig schwerer. Aber der Hermannslauf macht mehr Spaß! Das Glücksgefühl nach einem Marathonlauf ist mindestens so groß wie nach dem Hermannslauf. Dafür ist, nachdem man es geschafft hat, das Glücksgefühl und der Stolz über den Erfolg umso größer.
Wieviele Marathons läufst Du im Jahr?
Auf Zeit laufe ich drei Marathons im Jahr, dazu meist einen Marathon als Vorbereitung, also etwa vier pro Jahr.
Wenn Du es jetzt vergleichen solltest: Ist der Hermannslauf der Höhepunkt Deines Läuferjahres – oder eher die Marathons – oder ist jeder dieser Läufe ein Höhepunkt?
Alle vier Läufe sind für mich gleich wichtig und machen keinen Unterschied. Ich bin vor jedem Lauf gleich nervös und bereite mich ähnlich darauf vor. Ich bin vor jedem Lauf sehr angespannt und mache mir viele Gedanken. Das gehört dazu.
Welche Marathons möchtest Du in diesem Jahr laufen?
In diesem Jahr möchte ich auf jeden Fall am VIVAWEST-Marathon in Gelsenkirchen teilnehmen. Im Sommer laufe ich den Hasetal-Marathon in Löningen und den Münster Marathon. Meinen Abschluss bildet der Essen Marathon. Das habe ich in den letzten zwei bis drei Jahren genauso gehandhabt. Vor zwei Jahren war noch der Frankfurt Marathon eingestreut oder auch mal der New York Marathon.
Hattest Du schon besondere Erfolge beim Marathon?
Unvergessen ist der Marathon in Essen, den ich 2015 zum ersten Mal gewonnen habe. Darauf bin ich besonders stolz und blicke immer gern darauf zurück. Es war ein besonderes Erfolgserlebnis, weil ich ihn schon fünf oder sechs Mal gelaufen bin und immer unter den ersten vier war. Zweimal war ich sogar Zweiter, aber es hat nie gereicht. Und da war es etwas ganz Besonderes, als ich ihn dann endlich einmal gewinnen konnte, fast in Bestzeit in 2.21.11 h. Das war mein schönster Sieg, den ich jemals hatte. Darauf blicke ich gern zurück!
Einzelne Aspekte des Laufens
Hast Du eine Lieblingsstrecke?
Meine Lieblingsstrecken sind hier im Teutoburger Wald und meine Trainingsstrecken im Wald. Ich bevorzuge Landschaftsläufe gegenüber den Straßenläufen – es ist unvergleichlich.
Du bist also ein Waldläufer?
Ja, eindeutig! Ich liebe diese Gegend und diese Landschaft. Es ist nie langweilig und die Zeit vergeht viel schneller beim Laufen. Ich bin einmal den Berlin Marathon gelaufen und muss sagen, dass ich die Strecke vom Hermannslauf viel schöner finde.
Läufst Du viel allein oder hast Du andere Leute, mit denen Du trainierst?
Beim Leistungssport geht es fast nicht anders, als allein zu laufen. Manchmal, wenn es sich ergibt, laufe ich auch gern mit anderen. Es ist aber schwierig, dafür jemanden zu finden. Darum gehe ich zum Beispiel auch gern zu Wettkämpfen, weil dort andere Läufer und das Publikum sind. Es ist eine schöne Abwechslung und ich nehme den Wettkampf als besonderes Training.
Wenn Du Dein Trainingsjahr nimmst: Läufst Du das ganze Jahr auf dem selben Niveau oder hast Du unterschiedliche Intensitätsphasen? Wie steuerst Du das?
Man kann nicht das ganze Jahr auf dem gleichen Niveau trainieren. Das ist nicht förderlich und kann gefährlich werden. Der Körper benötigt Erholung und man kann nicht das ganze Jahr mit hoher Intensität laufen. Es besteht die Gefahr von Verletzungen und dass man sich kaputt läuft. Darum habe ich eine Kurve in meinem Training und baue immer ruhige Phasen ein, in denen ich weniger trainiere.
Stichwort Verletzungen. Hattest Du schon mal schwere Verletzungen?
Ich bin weitgehend verletzungsfrei. Meine einzigen Verletzungen waren Zerrungen, die aber schnell in wenigen Tagen verheilt waren. Von schweren Verletzungen bin ich bisher verschont geblieben.
Welche Tipps kannst Du Hobbyläufern zur Vermeidung von Verletzungen geben?
Aufwärmen und Dehnen! Besonders Dehnen ist wichtig, das mache ich auch. Damit schont man die Muskeln und beugt der Verletzungsgefahr vor. Es braucht nicht zu intensiv sein. Fünf Minuten nach jedem Lauf reichen aus, wenn man es regelmäßig macht.
Sponsoring
Ich sehe auf Deinem Auto und Deiner Jacke Werbung. Das sind wahrscheinlich Deine Sponsoren. Welche Rolle spielen sie für Dich?
Sponsoren sind für mich wichtig. Im Laufsport ist es anders als beim Fußball. Hier verdient man nicht das große Geld; eigentlich verdient man so gut wie gar kein Geld. Vor kurzem habe ich ausgerechnet, was meine Schuhe gekostet haben, die ich in den letzten 15 Jahren getragen habe. Das waren tatsächlich etwa 12.000 Euro! Ich bin den Schuhherstellern wie Asics oder Brooks dankbar, die mich mit Schuhen unterstützen. Man investiert so viel Zeit und Kraft und da freut man sich natürlich über eine solche Anerkennung. Das ist wichtig für den Sport und die Motivation. Die ersten Jahre habe ich meine Schuhe selbst bezahlt, was mich eine Menge Geld gekostet hat. Irgendwann habe ich dann daran gedacht, Sponsoren für diese Kosten zu finden. Ich bin diesen Unterstützern dankbar.
Welche Sponsoren hast Du?
Vom Laufladen ewy bekomme ich Schuhe und Ausrüstung. Das Autohaus Markötter unterstützt mich, damit ich zu den Läufen fahren kann, und mit AÜG Netzwerk arbeite ich schon sehr lange zusammen. In der Regel werden lieber Mannschaftssportarten gefördert und ich freue mich, dass meine Sponsoren einen Einzelsportler unterstützen.
Würdest Du Dich als Halbprofi bezeichnen?
Ich betreibe erheblichen Aufwand und trainiere sehr viel. Ein Profi könnte von seinem Sport leben und würde mehr investieren, wie zum Beispiel regelmäßige Trainingslager oder sogar Höhentraining, was ich noch nie gemacht habe. Investitionen für Trainingslager oder medizinische Betreuung wie Physiotherapie kommen auch nicht in Frage für mich. Auf der anderen Seite bin ich sicher mehr als ein ambitionierter Läufer. Von daher würde ich mich ruhigen Gewissens als Halbprofi bezeichnen.
Laufen macht glücklich
Warum läufst Du überhaupt?
Ich laufe in erster Linie, um mich wohl zu fühlen. Wenn ich nicht laufen oder keinen Sport treiben würde, würde ich die Welt tatsächlich mit anderen Augen sehen! Sie würde nicht mehr so schön aussehen, die Farben würden nicht mehr so leuchten, das Essen würde nicht mehr so gut schmecken, ich würde mich nicht mehr so wohl fühlen. Allgemeines Wohlgefühl tut mir einfach gut.
Was fasziniert Dich speziell am Laufen?
Es gibt auch andere Sportarten, die ich sehr schön finde, wie zum Beispiel Fußball, das ich lange gespielt habe. Beim Laufen gefällt mir besonders, dass ich es draußen betreiben kann; die frische Luft und der Wald begeistern mich. Beim Laufen fühlst Du Dich freier und der Natur verbunden. In der Schweiz fand ich die Berge beeindruckend. Ich bin ein Berge-, Wald- und Naturmensch. Das gefällt mir am Laufen besonders gut.
Macht Dich Laufen glücklich?
Ja.
Hast Du schon mal daran gedacht, einen anderen Sport zu betreiben?
Zur Zeit investiere ich meine Zeit und Kraft in den Laufsport, so dass ich aktuell keinen anderen Sport machen möchte. Ich werde sicher nicht immer die Leistung erbringen können wie jetzt, aber wenn die Leistung nachlässt, werde ich trotzdem beim Laufen bleiben, weil mich die frische Luft und die Natur begeistern. Auch als ich als Kind Fußball gespielt habe, bin ich trotzdem immer gelaufen. Laufen ist auf jeden Fall eine Herzensangelegenheit.
Danke, lieber Elias, für dieses Interview!
Tolles Interview. Man erfährt so viel über Elias, was man noch gar nicht wusste. Elías ist super sympathisch!